Mein Regenerationsblog

Die Hoffnung stirbt zuletzt

03. Warten

Ich habe in meinem Leben noch nie jemanden so laut schnarchen gehört, wie in dieser Nacht. Diese Ohrenbetäubende Lautstärke hätte kein Gehörschutz der Welt filtern können. Zwischenzeitlich dachte ich, dass selbst unsere Nachbarn bei dieser Lautstärke bestimmt nicht schlafen können.

Der zweite Tag im Krankenhaus in Zell am See bestand eigentlich nur aus warten. Neben den normalen Morgenroutinen im Krankenhaus, wie kostenloser Weckservice, Reinigung und Arzneiausgabe, war ich froh dass ich das Bett verlassen konnte um wenigstens in Würde und Anstand auf Toilette gehen zu können. Dieser Umstand sollte nicht immer so bleiben.
Zur Visite sagte mir der diensthabende Arzt noch einmal dass der Bruch wirklich schwerwiegend sei und vor mir ein sehr langer und Schmerzhafter Weg liegen würde. Wahrscheinlich würde ich mit der Verletzung mehrere Monate oder gar Jahre zu tun haben. Es könne sein, das ich nach den Operationen 3 bis 6 Monate nicht auftreten dürfe. Ebenso sei eine starke Bewegungseinschränkung sehr wahrscheinlich. Auf die Frage nach den Kreuzbändern und Meniskus, sagte er: „Es ist egal ob im 1. Stock eines Hauses eine Wasserleitung defekt ist, wenn das Haus droht einzustürzen.“ Wow, was für Aussichten. Ich war also ein einstürzendes Haus. Ich sollte darauf drängen, in ein Universitätsklinikum in Deutschland aufgenommen zu werden. Ein Universitätsklinikum sei für alle Unwegsamkeiten gerüstet und die Ärzte ausreichend spezialisiert. Auch diesmal fragte ich wieder, ob ich in 4 Wochen heiraten könnte. Ich muss zugeben, ich hatte sehr viel Angst davor, die Hochzeit absagen zu müssen. Wir haben in die Planung sehr viel Zeit sowie Energie gesteckt und es waren bereits etliche Anzahlungen getätigt. Bei einer so kurzfristigen Stornierung, würden wir fast keinen Cent mehr wieder sehen. Er sagte dass dies, sofern alles glatt läuft, mit Gehhilfen und Orthese möglich sein kann. Ein Lichtblick.

Da ich für eine zeitnahe Operation so schnell wie möglich nach Deutschland wollte, schrieb ich der Kollegin von der Allianz noch einmal eine Email. Da die Auslandsreisekrankenversicherung den Transport nach Deutschland organisiert und zahlt, klären die Kollegen von der Allianz alles weitere mit den Ärzten ab. Ich wollte trotzdem meinen Beitrag dazu leisten und nichts dem Zufall überlassen, also erläuterte ich auch noch einmal, dass auf anraten der Ärzte hier in Zell am See, das Universitätsklinikum in Dresden für meine Verletzung geeignet sei.
Am frühen Abend kam dann meine zukünftige Frau mich besuchen. Es war ein sehr Emotionaler Moment und es floss bei mir die eine oder andere Träne. Ich hatte mir unsere Hochzeit so schön ausgemalt und nun muss ich mir vorstellen, dass ich im bestmöglichen Fall mit Orthese und Gehhilfen zum Altar laufen muss. Luisa dachte sicherlich ähnlich. Wir rauften uns wieder zusammen und beschlossen es durchzustehen. Es ist jetzt wie es ist und wir können das geschehene nicht ungeschehen machen. Also positiv denken! Ab jetzt gab es kein „Werde ich in 4 Wochen heiraten können?“ sondern nur noch „IN 4 WOCHEN WERDEN WIR 2 HEIRATEN!“

Im Laufe des Tages erfuhr ich auch ein wenig über meine Zimmerkollegen. Schräg gegenüber lag ein Bauunternehmer mit Bluthochdruck und Cholesterin Problemen und neben mir ein Mann der eine Plattenentfernung an der Hüfte hinter sich hatte. Er war mit Kumpels Motorrad fahren und als bei einer Pause alle Ihre Motorräder nebeneinander abgestellt hatten, verlor sein Kumpel rechts neben ihm das Gleichgewicht und fiel um. Leider nahm er auch das neben ihm stehende Motorrad mit und dieses viel auf meinen Zimmernachbar. Die Folge war ein gebrochenes Hüftbecken. Das nenne ich mal blöd gelaufen.
So bescheiden wie das jetzt vielleicht klingen mag, aber solche unglücklichen Geschichten machten mir irgendwie Mut. Es gibt andere Menschen, denen passieren auch richtig dämliche Sachen. Du bist nicht allein.

Irgendwie fühlte sich mein Bein komisch an. Es war ein seltsames Gefühl. Ich würde es als ein nerviges & ungewöhnliches kribbeln bezeichnen. Die Pflegerin meinte dass aufgrund der Schwellung im Bein zu viel Spannung am Gips und dem Verband anliegen könnte. Sie schnitt also den Verband auf und zog mit ihren 2 Händen den Gipsspalt auseinander. Jaa, ich glaube das ist es. Noch ein Stück weiter bitte und dann wieder neuen Verband darüber. Es war zwar nicht weg aber etwas besser immerhin. Immer wenn ich mit den Gehhilfen auf dem Gang oder zur Toilette unterwegs war, war dieses Gefühl weg. Sobald ich mich in das Bett lag fing es wieder an. Nervig, naja, was solls. So ist es aber auszuhalten.

Das Essen im Krankenhaus war tatsächlich prima. Das kann ich jedem nur empfehlen. Auch die Pfleger und Pflegerinnen waren ruhig, entspannt und sehr jung. Das war klasse. Kurz nach 20:30 Uhr kam eine Pflegerin in unser Zimmer und sagte mir dass nun der Krankentransport feststeht. Samstag, 04.06.2022 – 08:00 Uhr geht es nach Dresden. Juhuuu, morgen schon, super!!
Wir vereinbarten das Sie mir vor dem Schichtwechsel mit dem Packen helfen würde. Dies bedeutet aber 05:30 Uhr Wecken und 05:45 Uhr Packen sowie Waschen. Uff :).

Der Bauunternehmer wurde zum Glück entlassen, so dass die bevorstehende Nacht vermutlich um einiges ruhiger werden würde.